Studieren in Südafrika
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Afrikanische und westliche Kultur, Schwarze und Weiße: Das akademische Angebot in Südafrika ist ebenso bunt wie das Land selbst. Die Universitäten im Kap-Staat bieten ein komplettes Fächerspektrum von Design über Geisteswissenschaften bis Naturwissenschaften. Wer an der Universität von Kapstadt studieren kann, ist privilegiert.
Von: Hanni Heinrich
Der junge schwarze Mann schiebt seine etwas zu groß geratene Brille mit dem Zeigefinger die Nase hoch und drückt sie fest ins Gesicht. Er sitzt in der Kapstädter Universitätsbibliothek über einem Buch, das er für sein Studium lesen muss: Afrikanische Literatur. Mxolisi Malimela ist 26 Jahre alt, studiert an der University of Cape Town (UCT) und ist stolz darauf: Akademisch gehört die UCT zur ersten Garde und ist in den meisten Fächern zusammen mit der Universität Stellenbosch führend – beides sind nach wie vor die Kaderschmieden, wie man sie aus Apartheidszeiten kannte. „Diese Zeiten sind Gott sei Dank vorbei“, sagt Mxsolisi, denn sonst dürfte er gar nicht an der UCT studieren. Die UCT gilt immer noch als Eliteuniversität, bis 1994 war sie nur für Weiße bestimmt. Heute lernen dort Studenten aus ganz Afrika. Dabei studieren hier nicht nur junge Erwachsene aus reichen Elternhäusern: Irgendwie bringen afrikanische Familien immer Mittel auf, um talentierte Jugendliche zur Uni zu schicken. So ist es auch bei Mxolisi Malimela: Er bekam wegen seiner guten Schulnoten ein Stipendium von einer privaten Organisation. Ursprünglich stammt Mxolisi aus einem Dorf bei Johannesburg. Er wuchs dort in bescheidenen Verhältnissen auf und besuchte die Dorfschule. Seine Eltern sind Arbeiter in einem Supermarkt und durften nie studieren. Sie sind stolz auf ihren Sohn. Mxolisis Muttersprache ist Xhosa– aus seinem traditionellem Stamm, erst in der Schule lernte er Englisch.
Kapstadts Uni bietet Lifestyle und Renommee
Der motivierte Schüler absolvierte bereits Kulturwissenschaften mit einem Bachelorabschluss an der UCT, doch das reichte ihm nicht. „Ich wollte mich auf ein Masterstudium in Afrikawissenschaften konzentrieren, und weil die UCT einen sehr guten Ruf auf dem gesamten afrikanischen Kontinent hat, blieb ich in Kapstadt.“ Er kannte die Stadt durch sein Erststudium und die Chance, an dieser renommierten Universität einen Master zu absolvieren, wollte er sich nicht entgehen lassen. „Kapstadt passt zu meinem Lifestyle“, sagt Mxolisis. Kulturell bietet Kapstadt alles, was eine internationale Metropole bieten kann: „Theater, Kino und viel Jazz finde ich so gut wie jeden Tag hier, da muss ich mich manchmal zusammenreißen, sonst würde ich fast täglich ausgehen“, erzählt Mxolisi und grinst dabei. „Die UCT hat darüber hinaus ein Center für Afrikastudien (CAS) und eine sehr gut sortierte Bibliothek. Ich finde hier fast alles zu afrikanischer Literatur und Kultur.“ Weil die UCT Austauschprogramme mit Harvard und anderen renommierten Universitäten der USA und Europas unterhält, können die Studenten interessante Kontakte knüpfen. Mxolisi Malimela nutzte diesen Vorteil: „Für mich war es wichtig, auch mal von außen den afrikanischen Kontinent zu betrachten. Also von einem anderen Kontinent aus.“ Als er erfuhr, dass die Universität Basel auch ein Afrika-Zentrum hat, ergriff er sofort die Gelegenheit und nahm am Studentenaustausch zwischen der Uni Kapstadt und der Uni Basel teil. Das Büro für den internationalen akademischen Studentenaustausch fördert motivierte Studenten, und so schickte die Universität Kapstadt Mxolisi nach Basel. Voraussetzung ist neben guten Noten, dass die Studenten anschließend zurück nach Südafrika gehen und den Nachwuchsakademikern Mut machen.
Ein Xhosa in Basel
Der Xhosa aus einem kleinen Dorf bei Johannesburg bekam also das Stipendium und flog in die Schweiz nach Basel. Diese Chance ist etwas Besonderes unter seinen Kommilitonen in Kapstadt. „Es wäre noch praktischer für mich gewesen, wenn ich in einem englischsprachigen europäischen Land gewesen wäre, aber die Kurse und Seminare für Afrikawissenschaften sind in Basel auch auf Englisch. Ich wollte einfach die Chance nutzen, nach Europa zu kommen, egal wohin“, so Mxolisi , der ein Semester an der Universität in Basel verbrachte. Schnell freundete er sich mit dem kulturellen Angebot der Stadt an: „Ich mag das Theater und die Konzerte“, erzählt er, während er sich an seinen Auslandsaufenthalt erinnert. „Die Menschen habe ich als sehr zurückhaltend wahrgenommen, ruhiger als die Kapstädter; mit einigen Schweizern bin ich jetzt befreundet, obwohl ich zuerst dachte, sie seien so zurückhaltend, weil ich schwarz bin.“ Was ihn am meisten an der Schweizer Uni beeindruckt ist, dass sich Studenten aus dem Grundstudium auch für Kurse im Hauptstudium anmelden und hinein schnuppern dürfen. Noch heute gehört Südafrika weltweit zu den Ländern mit den größten Unterschieden zwischen arm (in der Regel schwarz) und reich (in der Regel weiß). Wer an der UCT offen ist und vielleicht mal mit etwas Kleingeld für Fotokopien oder ein Mittagessen aushilft, macht sich schnell Freunde. „Es tun sich Welten auf, wenn man das Leben der Schweizer Studenten und das der schwarzen Studenten in Kapstadt vergleicht“, sagt Mxolisi. Die Unterschiede zwischen schwarz und weiß sind in Südafrika noch zu spüren – auch an der renommierten Uni in Kapstadt, wo noch heute nicht selten „schwarze“ und „weiße“ Tische in der Mensa zu sehen sind.
Bunt gemischt
An der University of Western Cape (UWC) in Bellville, etwa 30 Kilometer östlich von Kapstadt, studiert Mxolisi Malimelas Freund Pshasha Seakamela. Der 30-Jährige absolviert ebenfalls einen Master, allerdings in Medienwissenschaften. Diese Universität zählt nicht zur Elite. Dennoch ist sie gut besucht und bei Südafrikanern beliebt: bei den Farbigen – also den Mischlingen – ebenso wie bei den Schwarzen. Die UWC engagierte sich als eine der wenigen Unis, ein demokratisches Südafrika aufzubauen. Während der Apartheid wurde die Universität des Westkaps 1959 für die Ausbildung von Schwarzafrikanern gegründet. Heute hat sie eine sprachlich und ethnisch gemischte Studentenschaft. „Hier sind die Tische bunt“, sagt Pshasha und schmunzelt. „Das ist anders als an der Universität in Kapstadt“. An der UWC entwickelten sich Anti-Apartheitsgruppen, Farbige und Schwarze kämpften gemeinsam gegen die Regierung. Heute gilt die Universität des Westkaps als modern und für die Regenbogennation vorbildlich und aufstrebend.
Gute Dozenten, schlechte Ausstattung
Pshasha kann leider keinen Auslandsaufenthalt wahrnehmen: „Ich arbeite nebenbei, um mir mein Studium zu finanzieren. Die UWC hat auch viele Kontakte zu anderen Unis, aber nur wenige Plätze in Europa.“ Früher bot die UWC nur wenige Studiengänge für mittlere Positionen im öffentlichen Dienst und an Schulen an. Doch in den letzten zehn Jahren entwickelte sie sich zu einer internationalen Bildungsanstalt mit spezialisierten Studiengängen in Recherche, Bildung und Software Solutions. Die UWC hat gute Dozenten, aber in der Ausstattung ist sie weniger gut bestückt als die Uni in Kapstadt. „Wie sollen die Leute Biologie ohne Mikroskope und Geografie ohne Karten und Atlanten lernen?“, fragt Pshasha Seakamela. „Das sind die kleinen Unterschiede zwischen den Universitäten am Kap.“
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